Liebes Tagebuch...
Es gibt Momente, in denen ich das Gefühl habe, zu träumen. Ich
verschwinde kurz in einem Moment der Glückseligkeit. Alles ist gut.
Liebe hat bei google mehr Treffer als Hass, ich habe alles was ich
brauche, ich genieße die Sonne, den Wind und den Regen. Ich lächle,
wenn ich meine Hündin beim Schlafen beobachte. Wie sie kurze, helle
Töne macht, während ihre kleinen Pfoten zucken. Ich schmiege mein
Gesicht ins flauschige Fell meines Katers. Nehme einen Freund oder
Jemanden aus meiner Familie in den Arm und freue mich, dass es ihn
oder sie gibt. Die Welt scheint in Ordnung... Ich lache, bis ich
erwache. Ich schaue mich um und die Welt bewegt sich ohne mich. Ich
sehe den Tod mit geladener Waffe. Er zielt auf mich, auf alle meine
Freunde und Familienangehörige. Mit dem Wissen, dass er iwann
abdrücken wird, fühle ich mich machtlos. Mein Blick richtet sich
auf alles Gegenwärtige. Ich sehe Machtgeilheit, Schönheitswahn,
Korruption und Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur. Ich sehe
Menschen ohne Seele – ein paar von ihnen verkauft, ein paar
gebrochen. Und einen Haufen Menschen, die funktionieren. Es wird
getan, was „getan werden muss“. Aber niemand bestimmt selbst,
was dies bedeutet. Im Kreislauf des Systems versucht jeder emsig
seine Rolle zu spielen. Der Eine mehr, der Andere weniger gut. Und
doch wette ich, dass JEDER diese Momente hat, in dem er realisiert.
Und damit geht jeder auf seine eigene Art und Weise um
Die einen
schauen weg oder schließen die Augen, um schnell wieder weiter zu
träumen. Die Anderen fühlen die Leere, suchen einen Sinn -
flüchten in Religionen oder versuchen, verzweifelt etwas zu ändern.
Ich weiß mittlerweile, dass ich nicht die Einzige bin, die
Schwierigkeiten hat, der Gesellschaft zu folgen, sie zu verstehen
und zu ertragen. Viele in meinem Netzwerk wissen, wie es ist, im
Bett zu liegen und die Welt nicht erfassen zu können. Wenn die
Gedanken kreisen, die eine oder andere Träne läuft, bis man merkt,
an diesem Punkt schon so oft gewesen zu sein. Und am Morgen steigen
wir alle wieder aus unserem Bett und versuchen zu schlafen, damit
wir vor dem Wahnsinn dort Draußen nicht kraftlos einknicken..